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Theaterblau
  Theater Drachengasse
Theater Drachengasse

Fleischmarkt 22
Eingang Drachengasse 2

1010 Wien
  nach Lulu
Uraufführung
Eine Koproduktion von Theaterblau und Theater Drachengasse Bar&Co
5. – 16. Dezember 2017, Di –Sa um 20 Uhr

 
www.drachengasse.at | Karten: 01/513 14 44 oder karten@drachengasse.at
 
  Dieses Bestehen auf Wissen!

 
PANDORA


Man macht den Ursprung für die Übel der Menschheit an einer Figur, an der ursprünglich künstlichen Pandora fest. Somit wird eine Entlastung entworfen und überliefert. Daher geht diese Figur, in der Weiblichkeit als Rätsel und als Ursprung von Sterblichkeit zusammengefügt wurden, uns immer noch an. Denn diese Unterstellung, die auch in der Genesis als Erbsünde vorkommt, muss weder weiter hingenommen, noch - und schon gar nicht – weiterhin vererbt werden.

"Hoher Gerichtshof! Meine Herren Geschworenen! Die griechischen Götter schufen ein Weib: Pandora. Es war schön, - liebreizend, - kannte betörende Schmeichelkünste … aber die Götter gaben ihm auch ein Gefäß, in das sie alles Übel der Welt einschlossen. - Die Unbesonnene öffnete die Büchse und alles Unheil kam über uns! Sie, Herr Verteidiger, belieben die Angeklagte als verfolgte Unschuld hinzustellen … Ich nenne sie Pandora: denn alles Unheil kam durch sie über Dr. Schön! Die Ausführungen des Herrn Verteidigers beeinflussen in keiner Weise meinen Strafantrag: Todesurteil!"
(Aus: G.W. Pabsts Stummfilm Die Büchse der Pandora – 1929)

Um sich am Raub des Feuers zu rächen, befahl Zeus Hephaistos eine Frau anzufertigen, die schön wie die Götter selbst war und zudem mit anziehenden Gaben ausgestattet. Sie wurde unter die Menschen gebracht und von Epimetheus geheiratet, obwohl sein Bruder Prometheus ihn gewarnt hatte, keine Gaben von Zeus anzunehmen. Die geheimnisvolle Pandora hatte von Zeus als Geschenk ein Gefäß bekommen, in dem alle Not und Plagen enthalten waren. Sie öffnete es schließlich aus Neugierde und entließ somit alles Schlechte in die Welt. Nur die Hoffnung blieb im Gefäß.

Seither ist Pandora, die erste Frau und Stammutter der Menschheit, Quelle für Diskussionen um das fatale Verhältnis von Mann und Frau, sowie von Künstlichkeit und Natürlichkeit. Dass Pandora nachdem sie ihr unseliges Werk verrichtet hat, spurlos aus der Erzählung verschwindet, wird ausgeblendet. Ihr weiteres Schicksal ist nicht überliefert. Müssen die besonderen Merkmale dieser ersten, verführerischen Frau unkenntlich gemacht werden? - Wir erzählen von der alten Lulu, die immer noch dieselbe ist, derselbe Mensch, dieselbe Frau, deren Glamour und Schönheit gewichen sind, nicht aber ihr Wissensdurst nach Erkenntnis. Im Öffnen des Gefäßes entdeckt sie die Erwartung und Hoffnung einer weiblichen Selbsterkenntnis. 

Zum einen hat die Figur immer wieder als Sündenbock gedient, behauptet wird: Wenn sie sich ihrer Neugierde nicht hingegeben hätte, gäbe es die menschliche Not nicht. Daran geknüpft ist die Hoffnung, dass mit der Opferung der Frau das menschliche Unglück getilgt werden könnte. Pandoras Neugierde hat aber zur Erkenntnis der Unumgänglichkeit des Todes geführt, somit zu dem, was dem Menschen vorbehalten ist und gewissermaßen seine Entwicklung ausmacht. Dieses Bestehen auf Wissen, diese Hinwendung, stellt außerdem eine Bereitschaft dar, sich auf etwas Neues, ein Risiko einzulassen: auf das Unbekannte, das Überraschende. Pandoras Neugierde kann entweder als gefährlich gewertet und somit zum Verbot werden, oder sie kann uns anstecken.

In Frank Wedekinds Stück überzeugt Lulu ihren Liebhaber Dr. Schön, sie zu heiraten, erschießt ihn jedoch in der Hochzeitsnacht. Schön hatte nämlich während der Hochzeitsfeier Schigolch im Schlafzimmer entdeckt. Dort sitzt er mit Lulu auf der Bettkante und liebkost sie. Schön richtet seine Pistole auf den - wie er meint - Nebenbuhler, aber diesem gelingt die Flucht. Doch nun bittet Alwa, Schön´s Sohn, die Braut, mit ihm das Haus seines aggressiven Vaters zu verlassen. Obwohl sie ablehnt, reicht Dr. Schön ihr eine Waffe, sie soll sich damit selbst töten. Lulu wehrt sich und löst während des Kampfes unwissentlich die Pistole aus. - Lulu als Nebenprodukt aber auch optischer Anreiz im Männerstreit. 

Die rhetorische Koppelung von weiblicher Verführung und Tod wird dadurch verstärkt, dass wir es mit einem verführerischen weiblichen Körper und einem geheimnisvollem Gefäß zu tun haben und beide gleichgesetzt werden. Das Öffnen der Büchse steht auch für das Öffnen des weiblichen Körpers; das enthaltene Geheimnis entpuppt sich als ein Symbol für das Rätsel, das in der weiblichen Sexualität gesehen wird. Pandoras Ausstrahlung gewinnt auch dadurch ihren Reiz, dass wir in der Schachtel vermuten, was uns die Oberfläche nicht zeigt. Eine Gestalt wie Lulu, mit der Pandora weitererzählt wurde, dient für eine Aussicht, das Rätsel der Frau zu lüften. Pandoras Begehren, das Geschenk, mit dem sie bedacht wurde - ihre verzaubernde Erscheinung - zu ergründen, kann auch als Neugierde auf das eigene Begehren interpetiert werden, das fatal erscheint, weil es womöglich tödlich endet.

Wenn Lulu zu Pandora wird, wird ihr die Besonderheit genommen, sie wird denunziert. Lulu verschwindet aus dem Bild, das ihre Schuld an ihrem weiblichen Wesen festmacht. Ihre reine Gegenwart soll sie schuldig am Tod des Dr. Schön gemacht haben, egal ob sie tatsächlich geschossen hat oder nicht. Sie allerdings wird im Gegenzug das männliche Begehren, das sie ausgelöst hat, ergründen.

Pandora ist ein weibliches Wesen, das die nicht zu vermeidende Sterblichkeit in die Welt entlässt. Auch Erotik: Das Bestehen auf einem Wissen, komme was wolle. Femme fatale also nicht als Frau, die ein böses Schicksal initiiert, sondern eine, die jedes annimmt und akzeptiert. Der geheimnisvolle Inhalt der Schachtel und das Geheimnis der Femme fatale bedeuten dasselbe.


Kennen Sie sie? 




ICH DENKE NUR IMMER, DAS AUSBESSERN IST NICHT MEHR DER MÜHE WERT.